Verfasst von Elli; zuletzt aktualisiert am 17. Juli 2024
Während eines emotionalen Flashbacks wirst du von negativen Gefühlen überschwemmt, die eigentlich aus deiner Vergangenheit stammen. Aber woran kannst du das genau erkennen? Und wie hängen emotionale Flashbacks mit Depressionen und komplexen posttraumatischen Belastungsstörungen (kPTBS) zusammen? Darum geht es in diesem Artikel.
Kennst du das, dass deine Stimmung sich plötzlich um 180 Grad dreht? Dass du vielleicht gerade noch relativ entspannt warst und dann einfach nur noch weinen möchtest? Dass du auch Stunden oder Tage danach in dieser Traurigkeit festhängst und total apathisch wirst? Oder dass du plötzlich so wütend wirst, dass du dich kaum noch beherrschen kannst? Dass du dir mit ein bisschen Abstand zur Situation möglicherweise bewusst bist, dass du überreagiert hast – aber das nächste Mal, bei einer ähnlichen Situation, reagierst wieder genauso heftig, weil du es einfach nicht steuern kannst?
Falls du auf diese Fragen innerlich mit „Ja“ antwortest, könnte es (neben anderen Diagnosen) sein, dass du an emotionalen Flashbacks leidest.
Inhaltsverzeichnis
- Was sind emotionale Flashbacks?
- Was ist eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung (kPTBS)?
- Weitere Symptome einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung, die neben emotionalen Flashbacks auftreten können
- Was ist der Unterschied zwischen einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (kPTBS) und einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS)?
- Ursachen von komplexen posttraumatischen Belastungsstörungen
- Emotionale Flashbacks: Was sind die Symptome?
- Warum ist es wichtig, über emotionale Flashbacks Bescheid zu wissen?
- Depressionen & Trauma in der Kindheit: So hängt beides zusammen!
- Tipps für den Umgang mit emotionalen Flashbacks
- Quellen
Disclaimer: Alle Informationen, die du hier findest, sind mit großer Sorgfalt recherchiert, aber: Ich bin keine Ärztin, und alle Angaben in diesem Beitrag sind ohne Gewähr. Wenn du Beschwerden hast, empfehle ich dir, medizinisches Fachpersonal zu konsultieren – das ist die einzige Möglichkeit, um eine angemessene Behandlung zu erhalten. Die hier bereitgestellten Informationen stellen keine Handlungsanweisung dar, ersetzen keinen Arztbesuch und dienen auch nicht der Selbstdiagnose oder -behandlung, sondern der weiterführenden Diskussion meines Blogbeitrags-Themas bzw. spiegeln eigene Erfahrungen oder Meinungen meiner Interviewpartner wider.
Was sind emotionale Flashbacks?
Der Begriff „emotionale Flashbacks“ wurde vom amerikanischen Psychotherapeuten Pete Walker geprägt, der selbst von emotionalen Flashbacks, bedingt durch eine traumatische Kindheit, betroffen ist.
Bei emotionalen Flashbacks erlebst du unfreiwillig heftige Gefühle aus der Vergangenheit wieder, zum Beispiel Angst, Wut, Scham, Traurigkeit, Hilflosigkeit oder eine Mischung aus diesen Emotionen.
Flashbacks: ein typisches Trauma-Symptom
Flashbacks können nach erlebten Traumata auftreten. Wichtig zu wissen: Flashbacks sind anders als Erinnerungen, weil man keine Wahl hat, ob das Erlebte wieder hoch kommt oder nicht.
Bei Flashbacks sind außerdem oft Sinneseindrücke involviert, das heißt die Betroffenen haben den Eindruck, dasselbe zu sehen, riechen oder hören wie in der traumatischen Situation damals.
In welcher Form der Flashback auftritt, ist allerdings unterschiedlich. Bei Flashbacks, die nach Schocktraumata, zum Beispiel einem Autounfall, und einer darauffolgenden posttraumatischen Belastungsstörung auftreten, ist die visuelle Komponente oft stärker ausgesprägt.
Bei einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung jedoch, wie sie beispielsweise nach emotionalem Missbrauch in der Kindheit auftritt, kann es sein, dass hauptsächlich emotionale Flashbacks auftreten, ohne visuelle Komponente: Man fühlt nur, was man in der damaligen traumatischen Situation gefühlt hat, ohne es auch optisch wiederzuerleben.
Emotionale Flashbacks sind ein häufiges Symptom einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung.
Dieses Erkrankungsbild wurde übrigens erst kürzlich mit in den ICD 11 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) mit aufgenommen, mit dem Psycholog:innen und Ärzt:innen arbeiten.
Was ist eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung (kPTBS)?
Eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung entsteht durch Stresssituationen, die den normalen psychischen Bewältigungsmechanismus überlasten und über einen längeren Zeitraum stattfinden (anders als bei einer „normalen“ posttraumatischen Belastungsstörung).
Weitere Symptome einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung, die neben emotionalen Flashbacks auftreten können
- Wiedererleben der traumatischen Situation in Form von Flashbacks, intrusiven Erinnerungen (die man selbst nicht steuern kann), Alpträumen
- Vermeiden von auslösenden Situationen / Triggern
- Hypervigilanz (erhöhte Wachsamkeit / Schreckhaftigkeit)
- Probleme der Affektregulation (wie eben zum Beispiel im Rahmen eines emotionalen Flashbacks – obwohl, das sei dazugesagt, das ICD 11 den Begriff emotionalen Flashback nicht verwendet)
- negatives Selbstbild, fehlender Selbstwert
- Depressionen
- Suizidgedanken
- Dissoziationen
- Schwierigkeiten in Beziehungen (zum Beispiel kann es dir schwer fallen, Grenzen zu setzen)
Was ist der Unterschied zwischen einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (kPTBS) und einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS)?
Während ein einziges Ereignis ausreicht, um eine posttraumatische Belastungsstörung zu entwickeln (z.B. ein Flugzeugabsturz), treten bei der komplexen posttraumatischen Belastungsstörung über einen längeren Zeitraum Ereignisse oder Situationen auf, die die Belastungsstörung auslösen. Entscheidend hierfür ist, dass die Situation über einen längeren Zeitraum stattgefunden hat und die betroffene Person starke Hilflosigkeit, Angst etc. empfunden hat.
Trage dich in den understandingly-Newsletter ein
… und ich schicke dir kostenlos meine besten antidepressiven Mind-Body-Hacks zu!
Hier geht es zur Newsletter-Anmeldung.
Ursachen von komplexen posttraumatischen Belastungsstörungen
- Gewalterfahrungen
- Emotionaler Missbrauch
- Körperlicher Missbrauch
- Sexueller Missbrauch
- Situationen über einen längeren, in denen Hilflosigkeit und ein Gefühl des Kontrollverlusts dominierten
- Emotionale Vernachlässigung
- Körperliche Vernachlässigung
Gerade die letzten beiden Punkte sind wichtig hervorzuheben. Denn für die meisten Menschen liegt es auf der Hand, dass Akte der Gewalt zu Traumatisierungen führen können. Dass aber auch etwas traumatisierend wirken kann, was eben nicht stattgefunden hat (Vernachlässigung bezeichnet ja genau das: dass etwas gefehlt hat), ist eine relativ neue Erkenntnis.
Emotionale Flashbacks: Was sind die Symptome?
Emotionale Flashbacks zeichnen sich durch folgende Merkmale aus:
- heftige negative Gefühle, die oft sehr plötzlich einsetzen
- die Gefühlzustände stehen in keiner Relation zum auslösenden Ereignis (z.B. stundenlanges Weinen, weil ein(e) Freund:in sich zu spät gemeldet hat)
- die Gefühlzustände können von ein paar Stunden bis ein paar Wochen dauern, ohne dass der/die Betroffene das Gefühl hat, selbstständig wieder aus diesem Zustand herauskommen zu können
- übertriebene Selbstkritik
- häufig: Suizidalität
- Schamgefühle
- dissoziative Zustände
- Gefühlszustände lassen sich nach einer Weile bestimmten Triggern (Situationen etc.) zuordnen
Wenn du selbst für dich Klarheit darüber erlangen willst, ob dich z.B. ähnliche Situationen immer wieder triggern oder was die Situationen, in denen du dich getriggert gefühlt hast, verbindet, kann es hilfreich sein, Tagebuch darüber zu führen – zum Beispiel mit einem vorstrukturierten Tagebuch, das immer wieder die gleichen Dinge abfragt. So kannst du sicher sein, dass du keine auslösenden Momente übersiehst.
Mein Buchtipp in dieser Hinsicht:
Wie du siehst, ist es zwar nicht speziell für emotionale Flashbacks entwickelt worden, sondern für Depressionen, aber es fragt viele unterschiedliche Lebensbereiche ab und kann dir, glaube ich, interessante Erkenntnisse darüber liefern, was dich belastet oder eben sogar: richtig triggert.
Warum ist es wichtig, über emotionale Flashbacks Bescheid zu wissen?
- Emotionale Flashbacks sind oft der deutlichste Hinweis auf das Vorliegen einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung. Und wenn die bei dir vorliegt, ist es wichtig, das zu erkennen, weil du nur so eine passende therapeutische Begleitung bekommen kannst.
- Nur, wenn man über emotionale Flashbacks Bescheid weiß, kann man versuchen, diese Reaktion abzumildern und das eigene Trauma allmählich zu bearbeiten. (Wobei ich den Begriff „Arbeit“ in diesem Zusammenhang nicht gut finde, aber ich denke, du verstehst, was ich damit meine.)
- Traumatische Erlebnisse, besonders: traumatische Erlebnisse in der frühen Kindheit, hinterlassen häufig Spuren im Körper: Sie fördern zum Beispiel Entzündungsprozesse, können die Ausschüttung von Stresshormonen dauerhaft verändern und Einfluss auf die Entwicklung bestimmter Krankheiten nehmen.
Über mich
Ich bin Elli und habe selbst Erfahrungen mit Depressionen. Mir haben vor allem körperliche Ansätze sowie ganzheitliche Mind-Body-Verfahren geholfen – und genau darüber schreibe ich hier, immer mit Bezug auf aktuelle Forschung zum Thema. Denn Körper und Geist hängen eng zusammen. Mind to Body, Body to Mind! Hier erfährst du mehr über mich.
Depressionen & Trauma in der Kindheit: So hängt beides zusammen!
Eine Meta-Analyse: („Child Maltreatment and depression: A meta-analysis of studies using the Childhood Trauma Questionnaire“) aus dem Jahr 2020 fasste die Ergebnisse von 190 Studien mit insgesamt 68 830 Teilnehmenden zusammen und kam zum Ergebnis:
Je mehr traumatischen Situationen Personen in ihrer Kindheit ausgesetzt gewesen waren, desto häufiger und schwerer erkrankten sie im Laufe ihres Lebens an Depressionen.
Unter „childhood maltreatment“, also traumatisierenden Kindheitserlebnissen, verstehen die Forscher:innen hier übrigens in Übereinstimmung mit dem „Childhood Trauma Questionnaire“:
- emotionaler Missbrauch
- körperlicher Missbrauch
- sexueller Missbrauch
- emotionale Vernachlässigung
- körperliche Vernachlässigung
Insgesamt war das Risiko, im Erwachsenenalter an Depressionen zu erkranken, für Personen mit dieser Art von traumatisierenden Kindheitserfahrungen mehr als doppelt so hoch als für Personen ohne Kindheitstraumata.
Ich wiederhole das noch einmal, weil ich den Zusammenhang so krass finde: Hast du in deiner Kindheit Missbrauch oder Vernachlässigung erlebt, ist dein Risiko, an Depressionen zu erkranken, doppelt so hoch, als wenn du eine „normale“ Kindheit gehabt hättest.
In ihrer Meta-Analyse untersuchten die Forscher:innen auch, ob unterschiedliche Formen von Kindheitstraumata sich unterschiedlich auf die Entwicklung und Symptomschwere von Depressionen auswirkte.
Das war tatsächlich der Fall. Am häufigsten und am stärksten betroffen von Depressionen waren Erwachsene, die in ihrer Kindheit emotionalen Missbrauch oder emotionale Vernachlässigung erfahren hatten.
Pssst! Liest du gerne Romane mit Mental-Health-Bezug?
Dann könnte mein Buch „9 Grad“ etwas für dich sein!
So beschreibt der Lübbe-Verlag den Roman: „Neun Grad hat das Wasser, als Josie zum ersten Mal in den Fluss geht, um ihrer schwerkranken Freundin Rena einen Wunsch zu erfüllen. Vielleicht betäubt der Kälteschmerz ja auch die Angst, sie zu verlieren. Doch was Josie dann erlebt, übersteigt alles, was sie sich erhofft hat. Beim Eisbaden spürt sie sich zum ersten Mal selbst, erlebt ihren Körper, mit dem sie immer gehadert hat, ganz neu. Und noch etwas ist neu: ihre Beziehung zu Lee, den sie über Tinder kennengelernt hat. Doch Lee kämpft mit seinen eigenen Dämonen, ist depressiv. Was bedeutet das für ihre Liebe – und was machen Grenzerfahrungen mit einem? Elli Kolb erzählt es in ihrem bewegenden Roman.“
Das Buch ist Empfehlungstitel beim Lübbe-Verlag & wenn du mich und meine Arbeit unterstützen möchtest, kannst du es auf dem autorenfreundlichen Onlineshop von autorenwelt bestellen. Hier findest du weitere Informationen zu „9 Grad“.
Tipps für den Umgang mit emotionalen Flashbacks
Am besten du besprichst mit deinem Therapeut / deiner Therapeutin, was für dich die beste Lösung sein könnte. Jedes Trauma ist ein bisschen anders, jede:r reagiert ein bisschen anders.
Generell könnte Folgendes für den Umgang mit emotionalen Flashbacks hilfreich sein:
1. Mache dir bewusst, dass du dich in einem emotionalen Flashback befindest – also auf etwas reagierst, was schon früher stattgefunden hat, nicht jetzt gerade.
2. Ziehe dich, wenn möglich, an einen Ort zurück, der sich für dich sicher anfühlt und dich nicht noch mehr triggert.
3. Versuche, dich irgendwie zu beruhigen oder dich ins Jetzt zurückzuholen.
4. Sprich mit jemandem darüber, wie du dich fühlst.
Quellen
- ICD 11: „Complex post traumatic stress disorder“
- ICD 11: „Post traumatic stress disorder“
- Humphreys, Kathryn L et al. “Child maltreatment and depression: A meta-analysis of studies using the Childhood Trauma Questionnaire.” Child abuse & neglect vol. 102 (2020): 104361.
- Opel, Nils et al. “Mediation of the influence of childhood maltreatment on depression relapse by cortical structure: a 2-year longitudinal observational study.” The lancet. Psychiatry vol. 6,4 (2019): 318-326.
- Sun, Yajing et al. “The Relationship Between Inflammation and Post-traumatic Stress Disorder.” Frontiers in psychiatry vol. 12 707543. 11 Aug. 2021.
- Walker, Pete: „Posttraumatische Belastungsstörung. Vom Überleben zu neuem Leben“, Narayana Verlag 2019.